Die Fahrtleitung hat für die vom ersten Abbruch der WP 2 betroffenen Teams jedem die zweitschlechteste bis dahin gefahrene Zeit von Carsten Mohe zugeteilt. So ist es in einer Entscheidung des Rallyeleiters veröffentlicht worden. Diese Vorgehensweise war im letzten Jahrtausend als "italienische Regel" bekannt.
Inzwischen schreibt das Rallye-Reglement vor, dass jedem Teilnehmer eine faire Zeit zu erteilen ist. Üblicherweise muss dafür für jeden Teilnehmer auf Basis des Abstands von der in der identischen Prüfung gefahrenen Bestzeit (in dem Fall WP 5) eine individuelle Zeit errechnet werden.
Warum fällt man bei einem DM-Lauf in die Steinzeit des Rallyesports zurück? Oder kennt man beim ADAC Südbayern die heutigen Erkenntnisse überhaupt nicht?
Fair geht anders.
Da würde mich aber dann doch mal interessieren, wo denn das jetzt steht, so wie Du das schreibst?
Bin einfach mal neugierig...
Fair ist das aber auch nicht: für Fehler wird man doppelt bestraft, für eine besonders gute Zeit doppelt belohnt. Ich empfände es als fair, in solchen Fällen die WP für niemanden zu werten.
Ich hatte im Thread der Drei-Städte-Rallye Kritik an der Vorgehensweise der Zuteilung von Zeiten geübt. Sorry, dass ich die Frage von [MENTION=13975]ronny.kleiner[/MENTION] erst jetzt beantworte, da ich am Wochenende selbst (in der Auswertung) bei einer nationalen Rallye beschäftigt war.
Ich mache bewusst einen neuen Thread auf, weil es hier meiner Meinung nach um Grundsätzliches geht.
Zunächst einmal ein Rückblick in die Rallye-Geschichte, wie dieses Thema früher gehandhabt worden ist: Bis Anfang der Achtziger Jahre war es so, dass, wenn eine WP nicht komplett absolviert werden konnte, diese komplett annulliert wurde. Man muss hierbei aber bedenken, dass es damals teilweise über 250 Starter gab. Das hieß, es bestand die Möglichkeit, dass ein Team schon als Sieger auf der Rampe gefeiert wurde, dann aber das Ergebnis geändert werden musste, weil am Ende des Felds einer der letzten WPs ein kleiner Privatfahrer für den Abbruch einer WP verantwortlich war. Schlimmer noch, es bestand sogar die Gefahr, dass der Teamchef eines Werksteams mit etwas Bestechungsgeld dafür sorgte, dass im hinteren Feld einer sein Auto bewusst an einer engen Stelle verkeilt hatte und so dafür gesorgt hatte, dass gerade die WP, auf dem das Team von bewusstem Teamchef eine schlechte Zeit gefahren war, neutralisiert werden musste. Speziell das Fiat/Lancia-Team war für Schweinereien ähnlicher Art bekannt. Deshalb ist der Vorschlag von [MENTION=3938]Funk[/MENTION], eine WP komplett zu neutralisieren, nicht so gerecht, wie es zunächst den Anschein hat.
Mitte der Achtziger Jahre kam interessanterweise gerade aus Italien die Initiative, die bisher gehandhabte Vorgehensweise zu ändern. Es war die hohe Zeit der Werksteams und auf die Interessen von Privatfahrern wurde wenig Rücksicht genommen. Es gab ja genug. Deshalb wurde die sogenannte „italienische Regelung“ eingeführt. Die bedeutete, dass auch bei Neutralisierung einer WP alle Zeiten der Teams, die die WP absolviert hatten, gewertet worden sind. Alle anderen haben nach Entscheidung der Sportkommissare die schlechteste bzw. zweitschlechteste gefahrene Zeit gewertet bekommen. Das war für die betroffenen Teams alles andere als fair, aber die Werksteams waren zufrieden und die hatten damals das Sagen.
In diesem Jahrtausend wurde das Reglement dahingehend geändert, dass der Fahrtleiter nun jedem Team eine Zeit zuzuordnen hat, die er als fairste Zeit ansieht. Diese Regel wurde auch auf die Teams erweitert, die eine gelbe Flagge gezeigt bekommen hatten, was bisher keinerlei Berücksichtigung gefunden hatte. Hier der Text des Reglements:
Dadurch, dass das Reglement bewusst vorschreibt, dass „jedem Team“ eine „fairste Zeit“ zuzuordnen sei, schließt dies meiner Meinung die Vorgehensweise aus, die jetzt bei der Drei-Städte angewendet worden ist.
Ich bringe hierzu ein Beispiel: Alle Teams bekamen die bis zum ersten Abbruch gefahrene zweitschlechteste Zeit von Karsten Mohe (5:08,6) zugeteilt. Die Startnummer 17 (Satorius/Meter) war aber im zweiten Durchgang der WP Bogen 6,9 Sekunden schneller als Mohe, ist also durch die zugeteilte Zeit deutlich benachteiligt worden. Die Startnummer 71 (Hinderer/Hoff), die die WP 5 im Rahmen ihrer Möglichkeiten absolviert hatte, war dagegen 1:39,3 Minuten langsamer, ist aber gleichermaßen in WP2 mit der identischen Zeit wie Mohe bewertet worden. Wenn man alleine diese beiden Teilnehmer betrachtet, dann wird klar, dass der Rallyeleiter seiner vom Reglement auferlegten Verpflichtung, "jedem Team" eine "faire Zeit" zu erteilen, eindeutig nicht nachgekommen ist. Er hat sich vielmehr das Leben leicht gemacht und die längst überholte “italienische Regel“ aus alten Zeiten ausgekramt.
Noch unfairer wurde die Angelegenheit dadurch, dass die WP, nachdem das verunfallte Fahrzeug aus dem Gefahrenbereich gebracht worden war, ab Startnummer 74 wieder gestartet worden ist. Damit war eine faire Wertung der WP2 endgültig illusorisch geworden. Denn somit war die Startnummer 71, die sonst in keiner WP besser als auf Platz 100 zu finden war, gegenüber denen, die dann wieder in die WP gestartet worden sind, mit der Mohe-Zeit in erheblichem Maße bevorzugt worden.
Dabei gibt es inzwischen eine ganz einfache Vorgehensweise. Wenn eine WP mehrfach gefahren wird (wie hier als WP 5), nimmt man diese WP als Referenz-WP. Alternativ hätte man auch den aktuellen Gesamtstand der Rallye am Ende der ersten Etappe (ohne die abgebrochene WP) heranziehen können.
Da es hier eine identische WP gab, wäre die folgende Vorgehensweise angebracht gewesen:
Rechenbeispiel für die Startnummer 17:
Bestzeit WP 2 (4:42,9) geteilt durch Bestzeit WP 5 (4:44,5) mal Zeit WP 5 (5:04,5) = 5:02,8
Rechenbeispiel für die Startnummer 71:
Bestzeit WP 2 (4:42,9) geteilt durch Bestzeit WP 5 (4:44,5) mal Zeit WP 5 (6:50,7) = 6:48,4
Man erkennt den erheblichen Unterschied
Der Einwand von [MENTION=3938]Funk[/MENTION] ist zwar berechtigt, dass dann ein Fahrfehler in WP 5 doppelt zählen würde. Aber es ist zumindest ein Problem, das vom Teilnehmer selbst verursacht worden ist. Und im Vergleich zu den anderen Vorgehensweisen erfüllt es trotz dieses Einwands die Vorgabe, eine faire Zeit zu erteilen, eindeutig am besten.