Hallo zusammen,
es ist echt enttäuschend und nicht wirklich hilfreich, wenn jeder zweite Beitrag mit dem prophezeiten Untergang des Rallyesports endet. Ein potenzieller Neuling liest das und bekommt direkt Zweifel, es dennoch zu versuchen. Im letzten Jahr gab es meines Wissens nach einen neuen Rekord an Einschreibungen im Schotter-Cup und eben sowas zeigt, dass dieser Sport nicht tot ist. Sicherlich ist der Schotter-Cup nicht das Sprungbrett in die WM, aber aus meiner Sicht eine tolle Möglichkeit, erstmal reinzuschnuppern. Wie man dann nach dieser Saison weitermacht, steht auf einem völlig anderen Blatt.
Aus meiner Sicht müssten sich folgende Punkte ändern, um das Image des Rallye-Sports aufzuwerten:
1. Wie bei fast jeder Outdoor-Sportart beeinflusst auch der Rallye-Sport die Umwelt. Dessen sind sich alle bewusst und es wäre nur konsequent, das auch auf das nötigste zu reduzieren. Damit meine ich nicht die Fahrweise auf der WP, sondern das Verhalten außerhalb. Es ist absolut nicht nötig, in der Stadt noch mit dem Gas zu spielen oder an der Ampel mit quietschenden Reifen anzufahren. Und wenn ich dann auf dem Weg durch den Service-Park noch Autos mit Aufkleber ala "F*** you Greta" oder "Umweltsau" sehe, frag ich mich ernsthaft, was diejenigen antreibt, sich selbst so ins Abseits zu stellen. Jetzt kommen sicher wieder einige mit Meinungsfreiheit, aber das ist keine Meinungsfreiheit, sondern prolliger, unsachlicher Mumpitz. Man kann von FFF und Co. halten was man will, aber ich bin mir sicher, dass es auch von der rallye-desinteressierten Allgemeinheit nicht als besonders konstruktiv wahrgenommen wird. Da werden sich kaum junge Menschen anschließen, weil immer die Gefahr droht, unter anderem auf sowas reduziert zu werden. In der heutigen Zeit ist es aber so, dass sich vielen eben strikt von bestimmten Dingen abgrenzen wollen. Stichwort: Fremdscham. Was ich also damit sagen will: Solange manche Rallyefahrer lieber den Macker raushängen lassen, wird das immer auf's Kollektiv zurückgeführt und schadet allen. Auch etwaige verbale Entgleisungen einiger Rallyefahrer in sozialen Medien untermauern den Eindruck noch zusätzlich. Ist ja jedem selbst überlassen, wen er wählt, heiratet oder was er isst. Schlafschaf, linksgrünversifft und was man dort noch so liest, sind aber alles andere als witzig, konstruktiv oder diskursfördernd. Schließlich wollen wir als Fahrer und Fans clever erscheinen. Etwas Zurückhaltung, gegenseitige Rücksichtnahme und Disziplin untereinander wäre da deutlich angebrachter, um mehr Akzeptanz in der Bevölkerung zu erzielen, sodass man zu seinem Sport auch stehen kann, ohne direkt in eine bestimmte Ecke gestellt zu werden.
2. Die Hürden für die Bestzeitrallyes steigen immer mehr. Bevor man also das erste Mal in so ein Auto steigt (ob als Fahrer oder Beifahrer ist erstmal egal), ist man schlimmstenfalls locker 1400€ für Klamotten, Helm, HANS und Lizenz los. Das berappt im Leben kein Auszubildender oder Schüler, der das mal eben irgendwo bei Youtube, Instagram oder Tiktok sieht. Die Hürde zum Probieren ist einfach zu groß. Es müssen also interessante Formate her, die von den Hürden deutlich geringer sind. Was meine ich damit: Bei der letzten Rallye Hessisches Bergland gab es eine Elektro Effizienz Challenge. Da reicht ein Motorradhelm und RaceCard. Das hat nichts mit Highspeed zu tun, sorgt aber ebenso für Spaß und bringt gewisse Abläufe näher. Ja, es ist Elektro und ja, Elektro wird die Welt auch nicht retten (tun Wasserstoff und E-Fuels aber auch nicht). Es zeigt aber das sich Veranstalter Gedanken machen und Alternativen schaffen. Zudem nimmt man sicherlich dem ein oder anderen Kritiker auch den Wind aus den Segeln, der meint, man verpulvere im Rahmen solcher Veranstaltungen nur sinnlos Sprit. Bei solchen Sachen steht Cleverness im Vordergrund, was heutzutage (leider auch) eher gewertschätzt wird, als ein sauberer Drift (das macht man eben auch nicht aus der Kalten). Vorteil: Man sieht auch aktuellere Fahrzeuge, mit denen sich junge Menschen vielleicht mehr identifizieren können.
3. Wie von vielen schon angesprochen: Günstige Fahrzeuge. Hier sehe ich tatsächlich das größte Problem, was so schnell nicht zu lösen sein wird. Volvo war günstig und ist es sicher auch noch, aber auch diese Autos sind mittlerweile mindestens 25 eher 30 Jahre alt. Da gibt es nur noch ganz wenig Verstrahlte, die auf so ein Auto setzen würden. BMW 318is/ti werden auch nicht mehr und sind ähnlich alt. Zudem verschwinden Stück für Stück die Leute, die solche Autos schrauben/schnell machen können. Das alles selber zu entwickeln, wird zur Mammutaufgabe und bringt am Anfang jede Menge Frust und keine spürbaren Erfolge. Der neue Yaris GR ist zwar schick und sicher eine gute Basis, aber kostet auch direkt ein vielfaches der genannten Fahrzeuge. Da muss man schon sehr leidensfähig sein.
4. Klasseneinteilung und Bewertung: Das ist ein Thema, was es in so ziemlich jeder Breitensportart gibt und immer auf Ärger hinausläuft. Man macht immer mehr Klassen und am Ende fahren dann in mancher Klasse nur 3 Autos. Vergleichbarkeit geht gegen Null, Siegerehrungen ziehen sich ewig und ein Klassensieg ist in bestimmten Klassen nichts wert. Da komme ich direkt wieder zum Eingangs erwähnten Schotter-Cup zurück. Die Punktevergabe in Abhängigkeit der Starterzahlen der jeweiligen Klasse honoriert auch Teams, die nicht das Geld für Topmaterial haben, aber im Vergleich zur Konkurrenz trotzdem sehr gut abschneiden. Das motiviert! Klar wollen die Hersteller alle ihre Rallye2 usw. verkaufen und auch siegen sehen, aber damit gäbe es eben auch Anreize vielleicht doch erstmal mit einem Rallye5 einzusteigen, wenn man damit um nationale Meisterschaften mitfahren könnte. Es wird dann sicher trotzdem genügend Leute geben, die auf großen Autos unterwegs sind.
Was müsste also in D passieren, damit es wieder jemand weiter als bis zur DRM schafft: Der Sport an sich darf sich nicht durch einzelne Akteure ins schlechte Licht rücken lassen, sondern muss klar Stellung beziehen (ein klares Nein zu rufschädigendem Verhalten und notfalls mit Konsequenzen (auch wenn ich Bestrafungen kritisch gegenüber stehe)). Alternativangebote führen Leute vielleicht auch über günstigere Umwege zum "richtigen" Rallyesport. Günstige Autos bauen (... naja, man wird wohl noch träumen dürfen) und leistungsbezogene Bewertungen flächendeckend einführen, um Anfänger zu motivieren. Damit würde zumindest erstmal die Attraktivität und das Image verbessert werden, sodass junge Fahrer sich willkommen und wohl fühlen, diesen Sport auszuprobieren.
VG
Pascal