Liebe Rallyefreunde,
aus Anlass der beiden Unfälle an einer optimal vorbereiteten Spungkuppe im Rahmen des Havellandpokals möchte ich gerne ein paar Anmerkungen zur Diskussion stellen.
Es steht mir fern meine eigenen bescheidenen fahrerischen (Rallye) Fähigkeiten irgendwie heraus zu streichen, zumal diese inzwischen schon einige Jahre zurückliegen; vielmehr ist es mir wichtig festzustellen, dass ich über passables Mittelmaß nie heraus kam.
Das hat mich allerdings nie davon abgehalten mich intensiv mit allen Aspekten des Rallyefahrens zu beschäftigen, auch um meiner Tätigkeit als Streckensprecher möglichst gut gerecht werden zu können.
Die entscheidende Motivation diese Zeilen zu schreiben, ist in den Unfällen zu suchen, bei denen es in beiden Fällen zu nennenswerten Schäden und in einem Fall zu einem angebrochenen Wirbel kam, einem Unfall der auch leicht fataler hätte ausgehen können.
Mit entsprechenden Vorwissen sollten sich zumindest diese Art der Unfälle relativ leicht vermeiden lassen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die meisten Fahrer der 200er Szene keine klaren Vorstellungen von Sprungkuppen haben, weil es nämlich nur relativ wenige in diesem Umfeld gibt. Die Sprünge, zumindest wenn sie geradeaus gehen, sind kaum abhängig vom Können des Piloten, sondern von denen des Fahrwerks.
In Bildern der letzten Jahre von WRCs die über Kuppen fliegen, insbesondere bei Schotterrallyes, kann man erkennen, dass die entlasteten Räder fast einen Meter aus den Kotflügeln heraushängen. Die Fahrwerke verfügen über wirklich gigantische Federwege. Vergleicht man jetzt das Bild von Marc Bachs BMW im Havellandpokal Thread, so sieht man, dass höchstens ein Drittel dieses Federwegs zur Verfügung steht.
Es ist dem zu Folge völlig abwegig anzunehmen, man könne das, was man von Photos der Finnland-Rallye kennt, mit jedem Rallyeauto aus der deutschen 200er Rallyeszene nachmachen.
Als mehrfacher Kommentator des Superjumps in der Lausitz, konnte ich unter anderem beobachten, dass Matthias Kahle, das Jahr, als er im Porsche mit Winterrädern die Lausitz fuhr, da es für dieses Auto keine Schotterreifen gab, über die Kuppe quasi im erhöhten Schritttempo hinübherrollte.
Im Jahr darauf oder zuvor machte er im Skoda Octavia einen Riesensatz, so spektakulär, dass es selbst mir für einen Moment die Sprache verschlug.
Die Art und Weise wie er die Sprungkuppe anging, so radikal sie in beiden Fällen war, war eben nicht von seinen Fähigkeiten abhängig, sondern von den jeweilig verbauten Fahrwerken.
Denn was Octavia kann, kann Pörschchen noch lange nicht. Zumindest so lange nicht, wie niemand für dieses Auto ein Schotterfahrwerk mit langen Federwegen entwickelt.
Auch ein absoluter Spitzenkönner ist zwischen Absprung und Aufkommen ausschließlich Passagier und abhängig vom Material. Ein intelligenter, reflektierter Fahrer wie M.Kahle ist sich darüber im klaren und passt seine Herangehensweise entsprechend an.
Bei der Wartburgrallye 2011 gab es auf WP 1 an einer Sprungkuppe zwei Unfälle von zwei talentierten, erfahrenen Fahrern, die jeweils in einem für sie neuen, angemieteten bzw zur Verfügung gestellten Auto saßen.
Ich bin der festen Überfzeugung, dass sie beide den selben Fehler machten und ihre Erfahrungen aus ihren bisherigen Fahrzeugen eins zu eins auf das aktuelle Auto übertragen hatten und sich unverzüglich im Unterholz wiederfanden. Gott sei Dank kam es zu keinerlei Personenschäden, aber die Kosten für die Reparaturen waren natürtlich unangenehm genug, von dem frühen Ausfall mal ganz abgesehen.
Das bedeutet jetzt aber nicht, dass in den beiden verunfallten Fahrzeugen notwendigerweise schlechtere Fahrwerke verbaut waren als in denen, die sie bis dahin gefahren waren, denn diese werden nie für Sprungkuppen entwickelt, sondern für die Rallyestrecken an sich. Dies gilt sowohl für Schotter, aber noch mehr für Asphalt.
In einem älteren Rallye-Mag gab es zu den Kuppen bei der Rallye-Finnland einen aufschlussreichen Artikel, in dem klar gestellt wurde, dass selbst dort, wo es 10 mal mehr Kuppen als irgendwo sonst auf der Welt gibt, diese für die Fahrwerkabstimmung keine entscheidende Rolle spielen. Sie machen nämlich auch dort nur einen vernachlässigbaren Prozentsatz im Vergleich zur Gesamtstrecke aus.
Soll heißen, gewinnen kann man eine Rallye an Kuppen nicht, verlieren schon.
Was für Konsequenzen lassen sich aus diesen Überlegungen ziehen?
Konservativ herangehen! Zumindest wenn man das erste mal im Auto über eine entsprechen hohe Kuppe fährt. Reagiert das Fahrwerk sehr sicher, legt man beim nächsten Durchgang ein wenig zu. Mit der Zeit wird man ein sicheres Gefühl für die Flugeigenschaften des Autos und die Möglichkeiten des Fahrwerks entwickeln und man kann sich dem Limit vorsichtig nähern.
Fast alle Frontmotorautos sind an der Front deutlich schwerer als im Heck, deshalb haben sie die unangenehme Eigenschaft in der Luft nach vorne wegzukippen und im Extremfall mit der Nase zuerst zu landen. Als Gegenmittel hatte sich bei mir folgende Strategie bewährt (Frontmotor, Heckantieb):
So schnell wie es die Umstände erlauben an die Kuppe heranfahren, das Auto knapp unterhalb der gewünschten Abhebgeschwindigkeit abbremsen ohne das das Heck durch eine zu starke Entlastung instabil wird, auf den letzten drei, vier Metern vor dem Absprung wieder voll beschleunigen, um durch den Lastwechsel die Nase nach oben zu bekommen. Dabei darf es beim Hecktriebler nicht zum Durchdrehen der Räder kommen, da ansonsten die Seitenführung aufgehoben wird und das Heck ausschwenkt. War die Flugphase nicht zu lang, setzten die Räder mehr oder weniger gleichzeitig auf. Zumindest bei der Celica die ich damals fuhr.
Besonders gefährlich sind Kuppen, die im Absprungbereich keinen glatten Buckel sondern eine Kante aufweisen. Diese wird der Heckachse einen Aufwärtsimpuls geben, der die Abkipptendenz verstärkt. Was dagegen zu tun ist? Keine Ahnung, ist mir nämlich nie begegnet, aber klar ist, je schneller man über die Kannte fährt, je heftiger ist der Impuls.
Wichtig ist also, dass man diese beim Abfahren bemerkt.
Auf den ersten Kilometer der Reichwaldeprüfung der Lausitz-Rallye gibt es drei aufeinander folgende Kuppen, wobei bei einer von diesen die Fahrbahn unmittelbar nach dem höchsten Punkt leicht nach links versetzt. Spränge man dort von der Mitte der Fahrbahn geradeaus, fände man sich im rechten Bankett der weiterführenden Straße oder gar im Graben wieder. Dort habe ich das Auto beim Absprung immer leicht diagonal zu den Fahrbahnrändern gehabt, sodaß ich nach links gesprungen bin, darauf achtend, dass ich mit den Fronträdern nicht über die Mitte der Straße aufkam, da ich einen Sicherheitsabstand zum linken Bankett brauchte, um das Fahrzeug noch wieder (wenn auch minimal) gerade stellen zu können.
Es gibt auch in sehr seltenen Fällen einen gegenteiligen Effekt zum Abkippen, nämlich dass das Auto bei hoher Geschwindigkeit, großem Heckspoiler, und glattem Unterboden Unterluft bekommt und auf der Heckstoßstange landet. Dies ist Evgeny Novikov im C4 in Finnland passiert. Berühmt ist auch ein Vorfall in LeMans wo ein Mercedes Sportprototyp sich rückwärts, auf Grund von Unterluft, überschlug. Natürlich nicht an einer Sprungkuppe, sondern an einer leichten Welle; der Pilot war glücklicherweise nur leicht verletzt.
Setzt man mit nur einer Achse auf während die andere sich noch nennenswert in der Luft
befindet, setzt ein Klappmessereffekt ein, soll heißen die jeweils andere Achse nähert sich dem Erdboden mit deutlich höherer Geschwindigkeit als durch die normale Schwerkraft zu erwarten wäre. Das ist der Grund warum im Falle von Marc Bach die Hinterachse an seinem BMW kollabierte und bei Novikov die Vorderradaufhängung.
Zum Schluss will ich noch zwei Aspekte zum Thema ansprechen, die mir bisher unklar geblieben sind.
In dem schon erwähnten Artikel aus dem Rallye-Mag wurde erwähnt, dass das stabile Flugverhalten der WRCs sich auch dadurch erkläre, dass alle vier angetriebenen Räder in der Luft weiterhin rotieren würden. Leider wurde nicht erklärt, welche Gesetzmäßigkeiten hierfür verantwortlich sind, sondern nur auf den Physikunterricht verwiesen, der entweder in meinem Falle nicht hinreichend genug war, oder ich ihm aber nicht die nötige Aufmerksamkeit gewidmet habe.
Außerdem gibt es auch den Aspekt der Kuppen deren höchster Punkt im Scheitelpunkt einer Kurve liegen. Auf deutschen Rallyepfaden ist mir derartiges noch nie begegnet, aber in Finnland ist das nichts Außergewöhnliches.
Leider habe ich noch nie etwas Fundiertes gelesen, wie man diese Problemstellung angeht. Offensichtlich stellen die Könner das Auto vor der Kurve quer und gehen breitseits über die Kuppe. Falls jemand aus eigener Erfahrung (oder auch nur angelesen) etwas Substanzielles dazu sagen kann, würde mich das sehr interessieren.
Für Veranstalter die eine Rallye mit einer Sprungkuppe planen, sei angemerkt, dass sie vom potentiellen Aufsprungspunkt einen großzügigen Trichter einplanen, in denen sich keine Zusachauer aufhalten dürfen, denn man kann sich kaum vorstellen wie weit sich ein Auto nach rechts oder links überschlagen kann, wenn es einseitig und unglücklich aufkommt oder das Fahrwerk völlig überfordert wird.
In der Hoffnung den ein oder anderen Gedankenanstoß gegeben zu haben, würde ich mich über weiterführende Beiträge freuen.